Dieter Koniecki ist im Alter von 90 Jahren verstorben.
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) verbindet ihn mit einem ihrer erfolgreichsten internationalen Projekte, das im "Aufbau, der Mitgestaltung und der erfolgreichen Konsolidierung der spanischen Demokratie nach der Franco-Diktatur" bestand.
"Rückblickend mag es scheinen, als ob Spaniens erfolgreicher Weg von der Diktatur zur Demokratie einem vorgefertigten Drehbuch folgte", schreibt Antonio Muñoz Sánchez in seinem Buch über die Arbeit der FES in Spanien. Aber in Wirklichkeit hat sich Spanien Schritt für Schritt entwickelt. Der Prozess hat sich seinen eigenen Weg gebahnt, ohne ein vorgegebenes Muster. In dieser schwierigen Situation war es ein großes Glück, Dieter Koniecki - der sich selbst "Konietzki" nannte - als eine der Schlüsselfiguren zu haben: Es ist klar, dass seine besondere Persönlichkeit für diesen Moment der Geschichte wie geschaffen war.
Mit seinem großen politischen Fingerspitzengefühl, seinem analytischen Scharfsinn, seinen bemerkenswerten Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, seiner Redegewandtheit und seiner Energie gelang es Dieter, in dieser Phase des Übergangs und darüber hinaus zu einer wichtigen Persönlichkeit zu werden. Sein fantastisches Beziehungsnetz, das sich nicht nur auf Politik, Verwaltung und Medien, sondern auch auf die akademische, wirtschaftliche und kirchliche Welt und sogar auf die spanische Krone selbst erstreckte, war einfach beeindruckend. "Der deutsche Freund": So ist er in Spanien bis heute bekannt.
Als erster Vertreter der FES in Spanien förderte Dieter Koniecki - in enger Zusammenarbeit mit Willy Brandt, Herbert Wehner und Hans Matthöfer - ab 1976 den Aufbau moderner sozialdemokratischer Institutionen und demokratischer Strukturen und Prozesse. Drei Jahrzehnte lang leitete er die Aktivitäten der FES und gab seiner Arbeit eine unverwechselbare persönliche Note. Natürlich blieb er auch nach seiner Pensionierung 1996 für die Sache - und für die FES - aktiv.
Dieter Koniecki verstarb am 19. Oktober 2021 im Alter von 90 Jahren an seinem letzten Wohnort Zaragoza.
Er war ein Kind der Kriegsgeneration. Im Alter von 14 Jahren musste er seine Heimatstadt Bunzlau in Schlesien verlassen. Als Jugendlicher in einer ihm fremden Umgebung erschienen ihm die zerstörten Gebäude, die ihn von allen Seiten umgaben, als Symbol für den Zerfall der moralischen Grundlagen der deutschen Gesellschaft.
Im Gegensatz zu vielen anderen seiner Generation hat er sich damals nicht von der politischen Arbeit abgewendet. Im Gegenteil: Ihm war klar, dass es damals einer radikal neuen politischen Vision bedurfte, um die Zukunft zu gestalten. Er hätte auch gar nicht anders gekonnt, denn Dieter war ein "zóon politikón", ein "politisches Tier", dessen Gedanken sich ständig darum drehten, wie der soziale Zusammenhalt vertieft werden könnte.
Dieters zweites großes Talent war die Beherrschung von Fremdsprachen. Es war daher logisch, dass er Politik und internationale Beziehungen miteinander verband. Nach Abschluss seines Universitätsstudiums verfasste er ein fundiertes Werk über die internationalen Kontakte von Studentenvereinigungen in west- und osteuropäischen Ländern über die Blockgrenzen hinweg. Er sah in diesen Beziehungen eine Möglichkeit für die junge Generation, sich über die Grenzen hinweg neu zu vernetzen und so eine bessere Zukunft in Europa und für Europa zu gestalten.
Doch Dieter wurde erneut auf eine harte Probe gestellt: 1961 wurde er in Ost-Berlin verhaftet, über die Grenze geschmuggelt und in der Tschechoslowakei zu 10 Jahren Haft verurteilt. Die westdeutschen Behörden haben einem Austausch nicht zugestimmt. Der Austausch eines unschuldigen Bürgers gegen einen verurteilten Spion des Ostens hätte einen schlechten Präzedenzfall geschaffen, befürchteten sie. Dieter musste den Preis für diese Überlegungen zahlen und verbrachte mehrere Jahre unter harten Haftbedingungen.
Wer dachte, dass Dieter danach nichts mehr mit Politik zu tun haben wollte, hat sich getäuscht. Im Gegenteil, er engagierte sich in der Sozialdemokratie, weil Willy Brandt sich wie kein anderer für die Lösung des "Falles Koniecki" einsetzte und seine vorzeitige Entlassung erwirkt hatte. Schon bald kam Dieter in Kontakt mit führenden Sozialdemokrat_Innen, die gerade dabei waren, die politische Landschaft in Deutschland zu verändern. Eine Zeit der Erneuerung hatte begonnen, innerlich und äußerlich, und Dieter traf alle wichtigen sozialdemokratischen Persönlichkeiten dieser Zeit.
Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis im Jahr 1966 nahm Dieter Koniecki Kontakt zur Friedrich-Ebert-Stiftung auf. Die FES verlieh dem begabten jungen Mann ein Stipendium. Im Rahmen des "Stipendienprogramms in Lateinamerika" ging Dieter 1967 nach Mexiko, um dort zu promovieren. Die Doktorarbeit blieb ein bloßes Projekt, denn das Wohnzimmer seiner bescheidenen Studentenwohnung wurde schnell zu einem der meistfrequentierten Büros der Stiftung: Minister_Innen und Gewerkschaftsführer_Innen, aber auch Vertret_Innen der Wirtschaft, Universitätsprofessor_Innen und kirchliche Würdenträger gingen nacheinander ein und aus. Dort begann die Diskussion über die Nord-Süd- und Süd-Süd-Zusammenarbeit. Dieter war zum Beispiel eng mit Ivan Illich und seinem Institut in Cuernavaca befreundet. Es gibt kaum eine_n Politiker_In oder Gewerkschafter_In in Mexiko oder außerhalb Mexikos, der nicht schon einmal von Dieter Koniecki als einem großen Vermittler zwischen Iberoamerika und Europa gehört hat.
Die große Aufgabe, die Dieter erwartete, kündigte sich schon vor dem Tod des spanischen Diktators Francisco Franco am 20. November 1975 an. In Spanien formierten sich die demokratischen Kräfte bereits mit Nachdruck. Im Rahmen ihrer Politik der Westintegration hatten sich die deutschen Sozialdemokrat_Innen von Anfang an für eine langfristige Strategie der Demokratisierung in Spanien entschieden. Dieter Koniecki wollte nicht am Rande stehen bleiben.
Der Entscheidung, am 18. Dezember 1975 ein FES-Büro in Spanien zu eröffnen, ging ein ausführlicher Bericht von Dieter Koniecki voraus. Er hatte ihn Mitte September 1975 in einem Hotelzimmer in Madrid geschrieben, nachdem er im Auftrag der Stiftung einige Zeit durch das Land gereist war und eine Vielzahl von Gesprächen zu diesem Thema geführt hatte.
Er formulierte seine Vorstellungen in einem nüchternen Bericht über den Zustand der demokratischen Strukturen und die künftige Rolle der PSOE und der UGT, in dem er auch die Leitlinien für die künftige Tätigkeit der FES in Spanien umriss. Die außergewöhnliche Überzeugungskraft und Durchsetzungskraft seiner Projekte sowie sein hervorragendes kommunikatives und diplomatisches Geschick waren zweifellos mit ausschlaggebend dafür, dass Willy Brandt, Hans Matthöfer und Herbert Wehner ihn aktiv unterstützten.
Wichtig waren auch Dieters enge Beziehungen zur PSOE-Führung, insbesondere zu deren damaligem Generalsekretär Felipe González.
Ein umfassendes politisches Bildungsprogramm, Studien und Stipendien: Ab 1976 begann die Arbeit zur Schaffung moderner demokratischer Institutionen im politischen und gewerkschaftlichen Bereich, aber auch - und das ist richtig - auf regionaler und lokaler Ebene. Mit dem Erfolg, den wir alle kennen: Die PSOE war bei den Wahlen im Oktober 1982 die Partei mit den meisten Stimmen und konnte Felipe González zum Ministerpräsidenten wählen. Spanien wurde ein zuverlässiger Partner der Europäischen Union und der NATO.
Erst nach dem Zusammenbruch des "Ostblocks", in seinem sechsten Lebensjahrzehnt, konnte Dieter Koniecki die Orte besuchen, die mit den Narben seiner Vergangenheit verbunden waren. Bunzlau, seine Heimatstadt, war für ihn wie ein Spiegel seiner fernen Jugend. In Prag konnte er sehen, dass sich das Büro der FES direkt gegenüber dem Gericht befand, das das Urteil gefällt hatte, das ihn ins Gefängnis schickte. Damals erhielt er ein persönliches Schreiben des damaligen Innenministers, in dem dieser sich für die Ungerechtigkeit entschuldigte, der er ausgesetzt war.
Dieser Minister war nach 1968 selbst ein Dissident gewesen und wusste, was politische Haft bedeutet. Nach 1990 konnte Dieter allmählich die schmerzhaften Kapitel seiner jungen Jahre abschließen: Er wusste, dass die historische Entwicklung ihren Lauf genommen hatte. Eine Art der Politikgestaltung, deren Kern die Reformen der Sozialdemokratie waren, hatte die Lebensbedingungen der Menschen in Europa verbessert, Grenzen überwunden, persönlichen Austausch ermöglicht. Er stand auf der richtigen Seite der Geschichte, auch wenn er dafür Risiken eingehen und persönliche Opfer bringen musste. Dieter war unerschütterlich in seinen Überzeugungen und in seinem Handeln: So werden wir unseren lieben Kollegen in Erinnerung behalten.
Alexander Kallweit, Ernst Kerbusch, Luise Rürup
Calle de Manuel Silvela, 7 - bajo dcha. 28010 Madrid Spanien
(+34) 91 294 88 80info.madrid(at)fes.de
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